11. November 2009

Filmriss (2)

Zuerst also meine Sachen besorgen, was nicht einfach war, musste ich doch zurück zum Ort des Geschehens und dabei zwei Dinge beachten. Erstens den Antichristen nicht zu wecken und zweitens ihm nicht ins Antlitz zu sehen, die Minuten nach dem Aufwachen waren schon schlimm genug gewesen.
Es stellte sich jedoch heraus das sich im Schlafzimmer mittlerweile ein Berg aus Beddecken befand der sich leise schnarchend hob und senkte. Ein Kopf oderglühend rote Augen waren nicht zu entdecken. Meinem Vorhaben stand also nichts im Wege. Ich schnappte mir Hose und den Rest und schlich mich zum anziehen in den Flur. Damit fertig öffnete ich die Wohnungstür und blickte in den klassischen Flur eines DDR-Neubaus. Oha. Wo war ich nur?
Im hübsch beschmierten Fahrstuhl lente ich mich aufatmend an die Wand. So gut wie geschafft. Jetzt nur nach Hause und duschen. Heiss duschen. Reinigen.
Auf der Strasse angekommen blickte ich in den klaren, weiten Himmel. Neben mir und auf der Strasse gegenüber sah ein Haus aus wie das andere. Marzahn, Hellersdorf oder Märkisches Viertel. Oder Rumänien.
Allerdings blinkte in der Ferne ein grünes S-Bahnschild. Also zumindest Berlin.
Ich stapfte los und erreichte den Bahnhof Marzahn (Wie zum Teufel war ich hier nur gelandet) fünf Minuten später. Die Bahn kam gerade und ich stieg erleichtert ein, setze mich und dachte nach.
Mich quälten verschiedene Gedanken. Denn langsam kam die Erinnerung wieder. Langsam aber bedrohlich und unaufhaltsam. Das Puzzle setzte sich zusammen und plötzlich war alles klar.
O mein Gott!
War das jetzt der verrückteste Abend meines Lebens gewesen? Nein. Da gab es andere. Ein sicheres Indiz dafür war, das ich mich nur noch bruckstückhaft an diese Abende erinnern konnte. Die Hochzeit in der Slowakei. Selbstgebrannter Schnaps. Eine siebzehnjährige Sächsin die mir nicht mehr von der Seite wich bis ihr Bruder mich aus ihrem Zimmer vertrieb. Okay, das war mir mehr als nur bruckstückhaft in Erinnerung. Aber trotzdem. Dieses Mädchen heute. Diese Isabell, so lautete nämlich ihr Name. Nein, nie wieder.

Nie im Leben hatte ich anstregenderen Sex erlebt. Abgesehen davon das Isa, wie sie sich selbst kichernd genannt hatte, schlicht zu übergewichtig für mich war.
Der Unterschied des Single-Sexlebens von dem in einer Partnerschaft mit einer Frau die alle Annehmlichkeiten in sich vereinte, bei der es egal war wie, man kam schon irgendwie zum ersehnten Ende, der Sex war immer Klasse, war nämlich der: Man musste, wollte man denn regelmäßig einigermaßen entspannt durch die Welt laufen Kompromisse eingehen.

Gestern hatte ich vier Kompromisse eingehen müssen. Und trotzdem hatte ich am Ende mit dem Gedanken gespielt das Kopfkissen auf Isabells Gesicht zu legen. Aber dazu später mehr.
Das erste Problem, und damit der erste Kompromiss bestand darin, mir ihr Geschwätz anzuhören als ich ihre Wohnung betrat. Im Internet, beim chatten, da ging es ja noch. Aber hier, in ihrer betrückend kindlich eingerichteten Wohung, inmitten von Kuscheltieren, eines Tisches mit gehäckeltem Platzdeckchen, und einer beeidruckendes Sammlung von Lucky Strike Devotionalien da wusste ich, das würde hart werden. Wenn überhaupt.
Ich ging also meinen ersten Kompromiss ein und dachte mir, egal, sie ist fett aber jung, das bedeutete zumindest schöne Haut (ich sollte mich irren) und sie will Sex. Du musst nehmen was Du kriegen kannst.
Ich lauschte also ihrer Biografie. Nichts nennenswertes. Aufgewachsen im brandenburgischen. Nach Berlin der Liebe wegen. Ihr Freund verliess sie wegen einer anderen. Auch mit einer Frau hatte die Isabell was, aber nur kurz, sie bräuchte halt, nun ja, hart müsste es halt sein. Und so. Zwei geschlagene Stunden. Das Gespräch. Und ich bin mir sicher der Wunschsex auch.
Auf die drei weiteren Kompromisse kann und will ich nur soviel eingehen.
Ich musste insgesamt sechs Piercings an teils irritierenden Körperstellen ertragen. Fakt ist, es irritiert mich wenn es beim Oralsex klappert.
Das hässliche, zu fette, junge Mädchen hatte eine Haut die sich anfühlte wie ein Seetangblat.
Und um dem ganzen die Krone der Geschmacklosigkeit auzusetzen. Dieser Ansammlung von Klischees. Dieses Marzahner Supermädchen schätzte "Dirty Talk".
Was sich ihrerseits daran ausdrückte mir zuzurufen ich solle sie "härter", sowie "tiefer" und fester "ficken". Das fiel mir ob ihres unsäglichen Pornogeschwätzes aber dermaßen schwer, das ich also einen vierten Kompromiss einging, ich schloss Ohren und Augen und konzentrierte mich, wie üblich in solchen Situationen, auf meine letzte Freundin. Der Frau mit allen Annehmlichkeiten. Und genoss nur das verwandte Gefühl in der Körpermitte.

Daran erinnerte ich mich während der Fahr und stellte fest: Langsam aber sicher ging mir das alles tierisch auf die Nerven. Es musste sich was ändern, ich wusste nur nicht was.

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